Bild: Ingenbleek Photography

Die Fußball-Weltmeisterschaft des Jahres 2006 hat inzwischen einiges an Strahlkraft eingebüßt. Einerseits wirft der Korruptionsverdacht um die Vergabe der Weltmeisterschaft derzeit mehr als drängende Fragen auf, andererseits wird das Motto dieser Tage ("Die Welt zu Gast bei Freunden") aktuell vor dem Hintergrund von ständig brennenden (geplanten) Asylunterkünften ad absurdum geführt.

Auch 2006 war die Stimmung vor dem Turnier nicht gut, wenn auch aus sportlichen Gründen. Nicht wenige der selbst ernannten Bundestrainer hätten den tatsächlichen Bundestrainer Jürgen Klinsmann infolge der Testspielniederlage gegen Italien am liebsten seines Amtes enthoben gesehen.

Gegen Costa Rica startete die deutsche Mannschaft ebenso holprig wie erfolgreich mit 4:2, die erste große Hürde wartete mit der polnischen Nationalelf jedoch auch erst im zweiten Gruppenspiel auf die DFB-Elf. In ihrem "Wohnzimmer", dem Westfalenstadion, rannten die Deutschen dann nahezu die komplette Spieldauer gegen das Tor der Polen an. Erfolglos. Erst eine Kombination der beiden Einwechselspieler David Odonkor und Oliver Neuville sorgte in der Nachspielzeit für den umjubelten Führungstreffer. Manch einer sprach nachher sogar vom lautesten Tor der Weltmeisterschaft. Die Stimmung in Fußballdeutschland schien nach diesem Erfolg auf jeden Fall spürbar positiver.

Fritz Eckenga widmete diesem Spiel und besonders diesem Tor sein Gedicht Orkan Dondor, auch wenn hier der Anschein entsteht, Miroslav Klose hätte den entscheidenden Treffer erzielt. Aber das läuft wohl unter dichterischer Freiheit.


Orkan Dondor


für David Odonkor, der im Fußballsommer 2006

manchmal so schnell rannte, dass er mit dem bloßen

Auge nicht zu erkennen war.


Ach, das deutsche Tier war zahm,

riss nichts, äste lieber,

käute friedlich wider,

dann fraß links die Bestie Lahm

fünfzig Meter Außenbahn,

ohne ‚ach und leider‘,

schnitt er scharf auf Schneider.

Aus dem Hintergrund, wie Rahn,

hoffte man, er schlösse ab,

schösse einfach eini,

doch er gab auf Schweini,

der vergab nur knapp.

Ach, das Netz hing weiter schlaff

an den weißen Pfosten.

Dann kam tief von Osten

Sturm auf namens Miroslav.

Alle Anker rissen los,

Gegners Schiffe sanken,

David auf den Flanken

wurde riesengroß.

Orkan Dondor raste vor.

Stürmer ohne Grenzen.

Miro schrie: Jetzt schlenzen!

David schlenzte, Miro, Tor.

Fritz Eckenga

(S. 112-113)


(pb)


Eckenga, Fritz: Prima ist der Klimawandel auch für den Gemüsehandel. Gedichte. München: Verlag Antje Kunstmann 2007.

Fritz Eckenga, Mit mir im Reimen

©Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2015


http://www.fifa.com/fifa-tounaments/classic-stadiums/stadium=5011391/index.html (Letzter Aufruf: 11.03.2016, 12:39 Uhr)

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