Die Mutter ist schon lange sehr krank, der Vater lĂ€ngst tot, das Elternhaus im Sauerland bei Weitem nicht mehr die Villa, die es frĂŒher einmal war. Martin Beckers Ich-ErzĂ€hler ist vor langer Zeit in eine grĂ¶ĂŸere Stadt gezogen, ist nicht mehr gerne hier bei seiner Mutter im beengten Haus, zĂ€hlt bei Besuchen die Tage bis zum Bergfest und dann bis zum Abschied, schafft es nicht einmal, in seinem alten Zimmer zu schlafen, sondern flĂŒchtet sich fĂŒr die NĂ€chte zu seinem Bruder, der noch in der sauerlĂ€ndischen Kleinstadt wohnt.

Einen dieser Besuche nimmt der ErzĂ€hler zum Anlass, Geschichten aufzuarbeiten. Die Familiengeschichte, die Geschichte seiner Eltern, die Geschichte seiner Kindheit. Die Eltern lernen sich kennen, als sein Vater Jupp in der Hauer-Lehre auf einer vorerst nicht nĂ€her genannten Zeche ist und Barbara, die Mutter, an die TĂŒr des elterlichen Zechensiedlungshauses kommt, um fĂŒr die Tageszeitung abzukassieren. Es folgen Verabredungen, AusflĂŒge, die erste eigene Wohnung. Im Hintergrund immer dabei: Hans Hartmann, der Sauhund, wie Jupp seinen besten Freund nennt.

Zusammen haben sie auf der Zeche gelernt, dann geriet Hartmann auf die schiefe Bahn, wurde kriminell, landete im GefÀngnis, der Kontakt riss ab.

Hans Hartmann ist es, der den inzwischen erwachsenen ErzĂ€hler kontaktiert und durch den dieser versucht, seinen Vater endlich besser kennenzulernen. Hartmann erzĂ€hlt ihm von der gemeinsamen Zeit der Ausbildung auf der Bochumer Zeche Robert MĂŒser und der Arbeit spĂ€ter auf Prosper Haniel, fĂŒhrt ihn ein in die Geheimnisse und die Fachsprache der Bergleute und ermöglicht ihm sogar eine Grubenfahrt in besagter Bottroper Zeche.

Die Zeche, auf der Jupp und Hans ihre Ausbildung machen, wird im Roman anfĂ€nglich nicht beim Namen genannt, die Kleinstadt der Kindheit hat mit MĂŒndendorf einen fiktiven Namen. Hier drĂ€ngt sich der Verdacht auf, es könnte sich um eine Version von Martin Beckers Heimatstadt Plettenberg handeln, allerdings ist dies hier von geringerer Bedeutung. Mit Bezug auf die zunĂ€chst unbenannte Zeche wird allerdings eine dort nach dem Ende der Kohleförderung eingesetzte Technik erwĂ€hnt, die es ermöglicht, durch das Grubenwasser eine Schule und eine Feuerwehrstation zu beheizen. Diese Technik wird in der RealitĂ€t schon seit 2012 auf Zeche Robert MĂŒser eingesetzt, nachdem die Zeche seit 1968 den Betrieb eingestellt hat.

Unsere Literaturdetektivarbeit macht der Roman spĂ€ter dann leider zunichte, indem er von den sonstigen Verschleierungen abweicht und den Namen der Zeche offenlegt, was man ihm allerdings kaum ĂŒbelnehmen kann, liefert er doch einen sehr lesenswerten Einblick in das Leben einer Arbeiterfamilie ab den 1960er Jahren und das Aufwachsen und Leben in einer Kleinstadt im Sauerland.

(pb)

Becker, Martin: Marschmusik. MĂŒnchen: Luchterhand 2017.

Ingenieur.de: Bochumer Stadtwerke heizen Schulen mit Grubenwasser

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