Otto Redenkämper ist ein echter Malocher, denn er ist Gelsenkirchener Bergmann, allerdings inzwischen im Ruhestand. Das heißt: Er hat nicht nur wahnsinnig viel überschüssige Arbeitskraft, sondern auch viel zu viel Zeit. Doch eine neue Aufgabe ist schnell gefunden: Ehe er sich versieht, hängt er mit Kaffee und Kissen am Fenster und hat seine Straße im Blick. Die Transformation vom Bergmann zum Fensterrentner ist innerhalb weniger Stunden abgeschlossen. Hier haben Falschparker und andere Kleinkriminelle keine Chance mehr!

Doch fernab von seinem Fenster schwindet der Einflussbereich Ottos. Nahezu machtlos muss er mit ansehen, wie der Kiosk von seinem Kumpel Jupp vor dem drohenden Aus steht. Der neue Hausbesitzer - eine gesichtslose Immobilienfirma - plant eine Mieterhöhung, welche Jupp zur Geschäftsaufgabe zwingen soll. So ganz ohne Gegenwehr will man aber doch nicht bleiben, und natürlich bietet auch Otto seine Hilfe an. Während Jupp einen Anwaltstermin wahrnimmt, springt er im Kiosk als Vertretung ein. So schwer kann die Arbeit da ja nun wirklich nicht sein, denkt Otto. Und zwischendurch läuft es auch tatsächlich ganz gut. Einem recht jung aussehenden Polizisten verweiegert er aus guten Gründen den Whiskey-Kauf, und auch mit der Lawine namens Schulschluss kommt er ganz gut zurecht:

„Ich kassierte in der nächsten halben Stunde grob geschätzt drei Gesamtschulen ab. Als endlich wieder Ruhe im Laden herrschte, fuhr mir der Schreck in die Glieder: das Jugendschutzgesetz! Ich hatte vor lauter Aufregung gar nicht auf die Einkäufe der Kinder geachtet. Alkopoppers, oder wie das Zeug heißt, kannst du von den anderen Sachen ja gar nicht mehr unterscheiden. Und von dem Unterschied zwischen Kaugummizigaretten und echten Glimmstängeln will ich gar nicht erst anfangen. Zum Glück konnte ich die Polizei heute hautnah davon überzeugen, wie ernst ich es mit der Ausweiskontrolle nahm. Also würde der Verdacht nicht auf mich fallen, wenn in Gelsenkirchen-Buer die Hälfte der Schulkinder mit einer Fahne und Kippe im Mundwinkel am Mittagstisch sitzt.“ (S. 43)

Doch es läuft nicht alles so glatt. Otto hinterläßt, von der Gesamtsituation dann doch leicht überfordert, ein mittelschweres Chaos, und bekommt vom enttäuschten Jupp prompt Kioskverbot erteilt.

Otto ist verzweifelt. Irgendwie muss er Jupp doch beschwichtigen können. Vielleicht bei Jupps Enkel Emil ansetzen? Wie man ein Kind aus Gelsenkirchen wohl erfreuen könnte? Otto versucht sein Glück einfach mal im Schalke-Fanshop an der Vereinsgeschäftsstelle am Ernst-Kuzorra-Weg.

(pb)

Redenkämper, Otto: Dat Leben is kein Trallafitti. Der Fenster-Rentner erklärt die Welt. Frankfurt am Main: S. Fischer 2014.

Zitat mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Verlage.

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